Neuer Lesestoff
Verfasst: 26 Feb 2006, 12:26
Es gab ja schon lange nix neues in der Richtung, also stell Ich das Ding einfach mal online.
Coming Home
Afghanistan 1987
Er starrte den kleinen Kalender in seiner Hand an, dann zog er einen Stift und strich den Tag ab. Neun waren noch übrig. Neun Tage noch und es würde vorbei sein. Dann würden er und seine Einheit, nach über einem Jahr Fronteinsatz, wieder in ihren Standort zurückkehren. Er schnitt eine Grimasse. Die letzten Tage waren immer die schlimmsten, sagten die Alten. Jeder sei in den letzten Tagen damit beschäftigt, seinen Hintern ins Trockene zu bringen. Die Soldaten waren sorglos und überschwänglich, sie waren weit von ihrer sonstigen Form entfernt. Jemand schlug ihm von hinten in den Nacken. "Hey Kamerad! Was ziehst du für ein Gesicht? Das Ding ist gelaufen, bald gehts nach hause. Was soll denn jetzt noch schief gehen?" dröhnte ihm eine wohlbekannte Stimme entgegen. Sie gehörte Yuri, dem Fahrer seines Panzers. Yuri war einer der lauten Sorte, immer einen unpassenden Kommentar auf den Lippen, um keine Antwort verlegen. Außerdem war er der Albtraum jeder Flasche Alkohols und Kettenraucher. Seine Spezialität war es, Anderen seine Meinung zu sagen wenn es sie gar nicht interessierte. Er mochte Yuri nicht besonders, aber er war jemand, der seinen Job verstand. Wenn es um den Panzer ging, gab es kaum jemanden, der ihm das Wasser reichen konnte, und er arbeitete mindestens genauso hart wie er feierte. "Komm. Zeit zum Antreten." Yuri zerrte ihn hoch und schob ihn in den Hof hinunter. "Ich weiß nicht," sagte er zu Yuri, "für mich ist die Sache jedenfalls erst vorbei wenn wir hier weg sind." "Ach was! Übermorgen kommt unsere Ablösung, da passiert nichts mehr."
Im Hof der alten Schule, die sie als Quartier nutzten, hatte sich inzwischen der Rest ihrer Kompanie versammelt. Der Oberleutnant nahm die Meldung entgegen, ratterte die allmorgendlichen politischen und militärischen Nachrichten herunter und gab den Tagesbefehl aus. "Männer, unsere Letzte wird noch mal ein richtiges Prachtstück. Wir fahren Konvoischutz für die Versorger, bis runter zur Operationsbasis Delta und zurück. Ein letztes Mal konzentrieren und zusammen reißen, dann haben wirs heute Abend endgültig geschafft. Abmarsch in einer Stunde. Fragen?" Wie erwartet musste Yuri seinen Senf dazugeben. "Meinen sie nicht das dass eine würdige Willkommenstour für unsere Nachfolger wäre, Herr Oberleutnant? WIR sind immerhin schon mit einem Bein zu Hause. So was haben wir das letzte Mal nicht mehr gemacht." "Was ICH meine, geht sie gar nichts an, Soldat. Befehl ist was man muss, schließlich sind wir hier nicht beim Wunschkonzert. Aber wenn sie nicht mit möchten, kann ich ihnen auch einen schönen Posten bei den Minenräumern unten an der Hauptstrasse anbieten." Yuri verzog sein Gesicht. "Aber ich denke, angesichts des schönen Wetters und unserer letzten Fahrt haben sie sich spontan dazu entschlossen, an unserer Tour teilzunehmen. Das hier ist eben nicht wie beim letzten Mal. Wegtreten!"
Fünfundvierzig Minuten später hatten sie ihren BTR 80 klar gemacht. Er hatte dabei weit mehr als üblich machen müssen da Yuris Unmut sich in vielen vergessenen Kleinigkeiten niedergeschlagen hatte. "Ich fass es nicht," klagte Yuri. "Der schickt uns auf den letzten Tag wirklich noch raus. Wir sind fast zu Hause, und dann jetzt das." "Hör auf zu jammern," mahnte er ihn mit professionellem Ton. "Ändern kannst dus eh nicht, also reiß dich lieber zusammen und zieh das Ding durch wie die Fahrten vorher auch. Und mach mal die ABC Anlage an, die hast du auch vergessen." Yuri drückte lustlos auf den Schalter. "Nur weil wir nächste Woche nach Hause gehen, heißt das nicht, dass du es diese Woche schleifen lassen kannst." "Neun noch, Kamerad! Ich kann gar nicht verstehen, wie du so ruhig bleiben kannst." "Wie gesagt, für mich ist das Ding erst vorbei, wenn wir hier weg sind." Die Luke über ihnen öffnete sich und ihr Kommandant stieg ein. "Wie siehts aus?" fragte er kurz und knapp. Wasja war das komplette Gegenteil von Yuri. Ruhig und wortkarg, immer eine kompetente Antwort parat, tüchtig und gewissenhaft. Ein Mustersoldat. "Alles bereit, Feldwebel," antwortete er ihm. "Funkgerät, MK, MG, ABC und Nebelwerfer klar. Wir haben Wasser und Rationen für vier Tage." "Gut. Wir fahren als Letzter. Sammelpunkt ist an der Kreuzung. Panzer Marsch."
So schnell wie es die geschundenen Strassen hergaben, bewegte sich der Konvoi Richtung Süden. Zwei BTR fuhren an der Spitze, dahinter folgten drei Ural LKW der Naschschubkompanie. In der Mitte fuhr der BTR des Oberleutnants, gefolgt von drei weiteren LKW. Den Schluss bildete sein BTR. Nach etwa dreißig Kilometern verließen sie die Hauptstrasse und folgten einer Seitenstrasse bis weit nach Osten in die Berge. "Aufgepasst," hörte er Wasja über seine Kopfhörer. "Wir erreichen gleich wieder unsere Lieblingsecke." Ihre Lieblingsecke war eine alte Betonbrücke, die sich über ein enges, tief eingeschnittenes Flussbett spannte. Am anderen Ende ging es steil bergab in eine Schlucht, deren Boden sich auf gleicher Höhe mit dem Flussbett befand. Schon des Öfteren hatten sie hier Feuergefechte erlebt. Er entsicherte die Waffen und spähte durch die Winkelspiegel nach draußen. Nichts geschah. Der ganze Konvoi passierte die Brücke und die Abfahrt ohne Schwierigkeiten. "Scheint, als würden wir heut mal Glück haben," sinnierte Yuri über Kopfhörer. "Warts ab, die Fahrt ist noch lang genug. Pass du lieber auf wie du fährst, es wär nicht gut am letzten Tag noch nen LKW platt zu walzen," antwortete ihm Wasja.
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Afghanistan 1987
Er starrte den kleinen Kalender in seiner Hand an, dann zog er einen Stift und strich den Tag ab. Neun waren noch übrig. Neun Tage noch und es würde vorbei sein. Dann würden er und seine Einheit, nach über einem Jahr Fronteinsatz, wieder in ihren Standort zurückkehren. Er schnitt eine Grimasse. Die letzten Tage waren immer die schlimmsten, sagten die Alten. Jeder sei in den letzten Tagen damit beschäftigt, seinen Hintern ins Trockene zu bringen. Die Soldaten waren sorglos und überschwänglich, sie waren weit von ihrer sonstigen Form entfernt. Jemand schlug ihm von hinten in den Nacken. "Hey Kamerad! Was ziehst du für ein Gesicht? Das Ding ist gelaufen, bald gehts nach hause. Was soll denn jetzt noch schief gehen?" dröhnte ihm eine wohlbekannte Stimme entgegen. Sie gehörte Yuri, dem Fahrer seines Panzers. Yuri war einer der lauten Sorte, immer einen unpassenden Kommentar auf den Lippen, um keine Antwort verlegen. Außerdem war er der Albtraum jeder Flasche Alkohols und Kettenraucher. Seine Spezialität war es, Anderen seine Meinung zu sagen wenn es sie gar nicht interessierte. Er mochte Yuri nicht besonders, aber er war jemand, der seinen Job verstand. Wenn es um den Panzer ging, gab es kaum jemanden, der ihm das Wasser reichen konnte, und er arbeitete mindestens genauso hart wie er feierte. "Komm. Zeit zum Antreten." Yuri zerrte ihn hoch und schob ihn in den Hof hinunter. "Ich weiß nicht," sagte er zu Yuri, "für mich ist die Sache jedenfalls erst vorbei wenn wir hier weg sind." "Ach was! Übermorgen kommt unsere Ablösung, da passiert nichts mehr."
Im Hof der alten Schule, die sie als Quartier nutzten, hatte sich inzwischen der Rest ihrer Kompanie versammelt. Der Oberleutnant nahm die Meldung entgegen, ratterte die allmorgendlichen politischen und militärischen Nachrichten herunter und gab den Tagesbefehl aus. "Männer, unsere Letzte wird noch mal ein richtiges Prachtstück. Wir fahren Konvoischutz für die Versorger, bis runter zur Operationsbasis Delta und zurück. Ein letztes Mal konzentrieren und zusammen reißen, dann haben wirs heute Abend endgültig geschafft. Abmarsch in einer Stunde. Fragen?" Wie erwartet musste Yuri seinen Senf dazugeben. "Meinen sie nicht das dass eine würdige Willkommenstour für unsere Nachfolger wäre, Herr Oberleutnant? WIR sind immerhin schon mit einem Bein zu Hause. So was haben wir das letzte Mal nicht mehr gemacht." "Was ICH meine, geht sie gar nichts an, Soldat. Befehl ist was man muss, schließlich sind wir hier nicht beim Wunschkonzert. Aber wenn sie nicht mit möchten, kann ich ihnen auch einen schönen Posten bei den Minenräumern unten an der Hauptstrasse anbieten." Yuri verzog sein Gesicht. "Aber ich denke, angesichts des schönen Wetters und unserer letzten Fahrt haben sie sich spontan dazu entschlossen, an unserer Tour teilzunehmen. Das hier ist eben nicht wie beim letzten Mal. Wegtreten!"
Fünfundvierzig Minuten später hatten sie ihren BTR 80 klar gemacht. Er hatte dabei weit mehr als üblich machen müssen da Yuris Unmut sich in vielen vergessenen Kleinigkeiten niedergeschlagen hatte. "Ich fass es nicht," klagte Yuri. "Der schickt uns auf den letzten Tag wirklich noch raus. Wir sind fast zu Hause, und dann jetzt das." "Hör auf zu jammern," mahnte er ihn mit professionellem Ton. "Ändern kannst dus eh nicht, also reiß dich lieber zusammen und zieh das Ding durch wie die Fahrten vorher auch. Und mach mal die ABC Anlage an, die hast du auch vergessen." Yuri drückte lustlos auf den Schalter. "Nur weil wir nächste Woche nach Hause gehen, heißt das nicht, dass du es diese Woche schleifen lassen kannst." "Neun noch, Kamerad! Ich kann gar nicht verstehen, wie du so ruhig bleiben kannst." "Wie gesagt, für mich ist das Ding erst vorbei, wenn wir hier weg sind." Die Luke über ihnen öffnete sich und ihr Kommandant stieg ein. "Wie siehts aus?" fragte er kurz und knapp. Wasja war das komplette Gegenteil von Yuri. Ruhig und wortkarg, immer eine kompetente Antwort parat, tüchtig und gewissenhaft. Ein Mustersoldat. "Alles bereit, Feldwebel," antwortete er ihm. "Funkgerät, MK, MG, ABC und Nebelwerfer klar. Wir haben Wasser und Rationen für vier Tage." "Gut. Wir fahren als Letzter. Sammelpunkt ist an der Kreuzung. Panzer Marsch."
So schnell wie es die geschundenen Strassen hergaben, bewegte sich der Konvoi Richtung Süden. Zwei BTR fuhren an der Spitze, dahinter folgten drei Ural LKW der Naschschubkompanie. In der Mitte fuhr der BTR des Oberleutnants, gefolgt von drei weiteren LKW. Den Schluss bildete sein BTR. Nach etwa dreißig Kilometern verließen sie die Hauptstrasse und folgten einer Seitenstrasse bis weit nach Osten in die Berge. "Aufgepasst," hörte er Wasja über seine Kopfhörer. "Wir erreichen gleich wieder unsere Lieblingsecke." Ihre Lieblingsecke war eine alte Betonbrücke, die sich über ein enges, tief eingeschnittenes Flussbett spannte. Am anderen Ende ging es steil bergab in eine Schlucht, deren Boden sich auf gleicher Höhe mit dem Flussbett befand. Schon des Öfteren hatten sie hier Feuergefechte erlebt. Er entsicherte die Waffen und spähte durch die Winkelspiegel nach draußen. Nichts geschah. Der ganze Konvoi passierte die Brücke und die Abfahrt ohne Schwierigkeiten. "Scheint, als würden wir heut mal Glück haben," sinnierte Yuri über Kopfhörer. "Warts ab, die Fahrt ist noch lang genug. Pass du lieber auf wie du fährst, es wär nicht gut am letzten Tag noch nen LKW platt zu walzen," antwortete ihm Wasja.