vor einiger Zeit wurde Raven zu meiner besten Story gewählt. Außerdem behaupten einige von euch vehement ich hätte eine sehr gute Schreibe und nennen mich gelegentlich Mr. Lebenslauf. Auch bei Waffen-Online wurde gerade diese Geschichte recht gut aufgenommen (ehrlich gesagt hatten sich damals nur 3 Leutz die Mühe gemacht ihre Meinung zu posten). Das alles geht natürlich runter wie Honig, doch irgendwie hat es mich mal interessiert wie die Story auf jemanden wirkt, der sie - vollkommen unbelastet von jeder JA Erfahrung liest. Also habe ich einfach mal in einem artfremden Forum um Hilfe ersucht und auch - in nicht geahnter Form - erhalten.
Wie ihr gleich erkennen werdet sind dem Kritiker dem ich auch an dieser Stelle für seine Mühe nochmals danken möchte Rezessionen nicht ganz fremd.
Lest also wie meine schöne Story in der Luft zerrissen wird


[quote] Wie ich schon angedeutet habe, fällt es mir bei deiner Kurzgeschichte nicht leicht, wirklich nützliche Anregungen zu geben. Das hängt sowohl mit der Art der Geschichte selbst, als auch - eng damit verknüpft - mit dem Zielpublikum zusammen. Der Text fordert weder den Leser noch - wie ich glaube - den Autor. Er erzählt eine Episode, wie sie in jedem durchschnittlichen Action-Film in einer 3 Minuten Zwischensequenz vorkommen könnte, mit allem was dazu gehört: Klischees, stereotype Charaktere, oberflächliche Emotionen und coole Sprüche.
Bitte missverstehe das nicht: Das ist keine Kritik an dir oder deinem Schreibstil - deine Geschichte ist auf ein bestimmtes Zielpublikum ausgerichtet: Gamer, die noch ein bisschen länger in der Phantasiewelt ihres Lieblingsspiels verharren wollen. Ich sage ausdrücklich nicht, die 'tiefer in die Welt eindringen wollen', denn das ermöglicht die Episode nicht, wenn man von der biographischen Einleitung absieht. Die Geschichte erreicht aber dieses (niedrig gesteckte) Ziel ganz gut. Sprachlich routiniert, wenn auch nicht besonders originell. Kein 4-Hauben Gericht, sondern ein Snack für zwischendurch.
Mit diesem nicht - sehr hohen - Anspruch entzieht sich dein Text natürlich einer profunden Analyse, noch mehr einer profunden Kritik. Einige kritische Bemerkungen zum Inhalt der Geschichte möchte ich dir aber dennoch geben. Ich versuche dabei die Zielrichtung des Texts im Auge zu behalten. (Achtung jetzt geht's los

Mehr Authentizität würde der Story nicht schaden. Klar, es soll keine Doku draus werden. Aber ein paar Hintergrundinfos über das Leben und die Arbeit der Sniper würden dem Ganzen eine gewisse erzählerische Autorität und atmosphärische Dichte zu verleihen. Das Problem ist, dass manche deiner Beschreibungen - plastisch ausgedrückt - ein wenig so wirken 'wie sich der kleine Max die Welt der Scharfschützen vorstellt'. 'Keine Bads in Sicht.' So reden Sniper im Einsatz nicht (höchstens in Michael Bay Filmen). Die Protagonisten bleiben einem fern und gleichgültig, weil sie über die klassischen, oberflächlichen Stereotypen nicht hinaus kommen, ja sogar unsympathische Züge aufweisen (dazu später mehr) und teilweise irrational handeln (siehe unten). Das beste Beispiel für unreflektiertes Klischee ist meiner Meinung nach der Satz 'No Senora, nix böse Amigos in Hazienda'. So redet KEIN Lateinamerikaner, auch nicht, wenn er kaum Englisch (Deutsch) spricht. Das ist aber genau dieses Gebrabble, dass wir in schlechten Filmen aus den Mündern drittklassiger Nebendarsteller hören, die eine mexikanische Haushälterin spielen. Klischees könnte man durch Originalität aufwiegen. Eine gute Idee kann eine Geschichte retten: Der einzig originelle Ansatz deiner sonst hausbacken konstruierten Geschichte geht aber schief: Die Nanny.
Ihre Persönlichkeit ist nicht rätselhaft oder geheimnisvoll. Sie ist ein Psychopath.
Genauer das Abziehbild eines Psychopathen. Und offenbar haben Ron und Charlene dasselbe Problem wie ich. Ron schätzt sie als Risikofaktor ein (das würde ich auch so sehen angesichts ihres Verhaltens), Charlene hält sie - in der gleichen Situation - für mutig (Frauen-Solidarität ?).Die Nanny schwankt binnen Sekunden zwischen stoischer Ruhe, unflätiger Beschimpfung, Lachausbrüchen und Sanftheit (zu den Kindern - denen sie allerdings am Schluss noch als 'Lebensweisheit' erklärt: 'So Kids, ich hoffe ihr habt draus gelernt, mit ner guten Waffe läßt sich alles regeln usw....'. Die Kinder wären wahrscheinlich langfristig besser dran, im Schusswechsel draufzugehen, als von dieser Frau 'erzogen' zu werden.)
Auch ihre Strategie ist nicht wirklich einleuchtend (so sie eine verfolgt): Mit dem Sprung ins Wasser, beraubt sie sich nicht nur ihrer Bewegungsfreiheit, sie präsentiert sich auf dem Tablett UND riskiert die Schusswaffe unbrauchbar zu machen. Einen mit Crack vollgepumpten Junkie dann noch auszulachen würde ihr wahrscheinlich nur eines bringen: Dass sie abgeknallt wird wie ein toller Hund (so gebärdet sie sich auch). Sie konnte ja nicht damit rechnen, dass sie Hilfe von 2 Snipern bekommt. Ich weiß natürlich wie's gemeint war: Durch das unerwartete Verhalten der Nanny wurden die Junkies zunächst einmal gestoppt - aber das ist keine sinnvolle Strategie für einen Einzelkämpfer, und für eine Strategie in Richtung Gegenschlag ein taktischer Flop. Das Hauptproblem ist aber: Sie trägt nichts Grundlegendes zur Story bei. Sie ist für die Rettungsaktion völlig überflüssig, weil Ron und Charlene als für die Gegner unsichtbare Präzisionsschützen die Sache immer im Griff haben; zu dieser dramaturgischen Schwäche komme ich gleich).
Die Nanny ist also eher ein verstörender Charakter. Mir ist klar, dass du hier einer Vorgabe folgen musst. Aber die Sache sollte auch für einen Neueinsteiger halbwegs stimmig sein.
Leider zeigen die beiden Protagonisten Ron und Charlene ebenfalls einige merkwürdige Züge. Zunächst zur Biographie: Es ist mir unklar, warum Charlene es auf sich nahm, unbedingt in Ron's Spezialeinheit zukommen. Das ist nicht sehr professionell. Es hat schon seinen Grund warum es in diesen Teams die Verwandtschafts- und Ehegattensperre gibt. Emotionale Bindungen sind in Extremsituationen nur hinderlich. Warum sollten sie sich dem aussetzen ? Es bringt ihr auch sonst keine Vorteile, mit ihrem Freund in einer Einheit zu arbeiten. Damit sie in seiner Nähe sein kann ? Das ist die Denkweise einer Frischverliebten, die keine Sekunde ohne ihren Gatten auskommen kann oder das Muster einer symbiotischen (und damit unreifen) Beziehung, die keine Sekunde ohne ihren Gatten auskommen kann. Aber dass sie deswegen jahrelang die Polizeischule besucht und dann - was ja nicht planbar ist - in seine Einheit eintritt....nein.
In der Geschichte selbst erleben wir an ihr einen unangenehm voyeuristischen Zug: Während sie auf das gemeinsame Liebesspiel wartet, weiß sie nichts Besseres zu tun, als mit dem Fernglas die Nachbarn zu beobachten. Hmmm. Sie liebte diese stillen Tage - aber kaum ist sie eine Sekunde allein, nimmt sie ihr Fernglas zur Hand. Als sie dann tatsächlich etwas entdeckt, das ihren Einsatz erfordert, fühlt sie sich dadurch gestört. Moment mal, SIE mischt sich ein. SIE ergreift die Initiative. Dass sie sich beim Auslöffeln der Suppe, die sie sich selbst eingebrockt hat, auch noch ärgert, spricht nicht für die Professionalität und Reife dieser Frau.
Als sie für die Sicherheit der Haushälterin zu sorgen hat, grinst sie beim Gedanken, dass die hässliche Nanny ein Produkt der eifersüchtigen Schauspielerin ist. Wer solchen Gedanken nachhängt, ist unkonzentriert, nicht mit 100% beim Job. Im Einsatz bleibt für sie keine Zeit dafür Gedanken an die Hintergrundgeschichte zu verschwenden. Da gehts darum, die Situation in Sekunden(bruchteilen) zu erfassen, zu evaluieren und eine Strategie zu entwickeln.
Wenn du die Charaktere mit Hintergrundgeschichten auffetten willst, musst du das als Erzähler anders in die Geschichte reinbringen. So wie hier, geht es zu Lasten der Geschichte.
Auch Ron's Professionalität wird zweifelhaft, wenn er die 'Bad Guys' am liebsten sofort ins Jenseits befördern möchte, weil er ernsthaft sauer ist.
Warum ist der Mann sauer ? Weil er sich (auch) gestört fühlt. Weil er nicht mit seiner Geliebten weitermachen kann. Daher weg mit den Burschen. Das ist das Denken eines unprofessionellen Psychopathen, der nicht mehr abstrahieren kann und nicht das eines verantwortungsbewussten Einsatzleiters, der - wie man hört - unter anderem die Fähigkeit besitzen soll, andere Menschen in jeder Situation und Stimmung auf seine Linie zu bringen. Übrigens: Ein paar Zeilen vorher liest man noch, dass Ron (vom Privatmensch) wieder ganz zum Leiter einer Scharfschützeneinheit des LAPD mutiert ist.
Ein weiterer Aspekt, der sich ungünstig für die Protagonisten und folglich auf die Effektivität der Geschichte - auswirkt ist, dass sie in völliger Sicherheit, ungefährdet aber hinterrücks, die Burschen abknallen können. Die Gegner haben nie eine Chance. Die 'Helden' sind nie in Gefahr.
Die Leistung der Hauptdarsteller beschränkt sich auf risikoloses Abballern von Schießbudenfiguren. Interessanterweise sind aber jene, die in Gefahr sind (nämlich die Kinder) völlig außerhalb der Story. Der Leser entwickelt keinen Schutzinstinkt für die Kleinen, weil sie ihm egal sind. Es bleiben irgendwelche Kinder einer reichen Schwuchtel. So kann keine Spannung aufkommen.
Das erste, was den 'Helden' nach dem Gemetzel einfällt ist, dass sie - offenbar völlig unbeeindruckt von den Ereignissen - bei ihrem Liebesspiel weitermachen. Das ist drückt nicht Professionalität aus sondern Kälte oder Oberflächlichkeit. In Wahrheit ist es unrealistisch und macht die Charaktere flach und uninteressant.
Die 'Schlusspointe' wirkt aufgesetzt, weil es ja nicht so unerwartet ist, dass sich die Polizei um die Heckenschützen kümmert. Man kann nicht auf seinem Balkon - ohne Schalldämpfer - Leute umpusten, ohne damit rechnen zu müssen, dass die Polizei anklopft.