von Ypsilon83 » 20. Nov 2012 21:27
Nach der Trennung von den Anderen begann Ypsilon mit dem ersten Abschnitt des Tales. Er hatte sich die Gegebenheiten, die man auf den Karten erkennen konnte gemerkt, so dass er sich mit relativer Sicherheit bewegen konnte. Von der Suche nach Fallen mal abgesehen und dem ständigen Umsehen und Umhören nach möglichen Streifen.
Sein erstes Ziel war einer der Strommasten, er hatte sich im Vorfeld einen bestimmten Mast ausgesucht, der weit genug von den logischen Wegen von Wachtrupps lag.
Ypsilon erreichte ihn in einer angemessenen Zeit, sicherte die Umgebung ab und begann dann direkt neben dem Mast ein Loch auszuheben. Wie er sich gedacht hatte, war der Mast in keiner Form gegen das Wetter geschützt und gerade das Wetter hier war Gift für solch einen Mast. In dem Loch brachte er eine Sprengladung an, die er mit einem Fernzünder versah, nicht jedoch ohne eine zusätzliche Antenne anzubringen, die er weiter oben am Mast festmachte. Schließlich präparierte er das Loch, so dass die Kraft des Sprengsatzes sich nicht durch das Loch verflüchtigen konnte, sondern nur die Möglichkeit den Mast nach oben zu drücken. Nebenbei würde auch der Lärm erstickt werden. Ein letzter Blick nach oben, wie sie es erwartet hatten, Strom und Telefon. Ab und zu musste man einfach Glück haben.
Ein letzter Blick, dann setzte er sich wieder in Bewegung, auf das Lager zu.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam das Lager in Sichtweite, Ypsilon schlich von Deckung zu Deckung, hinter jeder Deckung sah er sich mit seinem Fernglas um, bis er das Lager zur Hälfte umrundet hatte.
Wie er befürchtet hatte, befand sich auch eine Funkstation im Lager, erkennbar an der grossen Antenne über einer der Baracken.
Er sah hinüber zu dem Berg, an dem seine beiden Kameraden gerade Bergziege spielten. Er vermutete sie von ihm aus gesehen fast auf der anderen Seite des Lagers.
Er warf einen Blick hinüber zu dem Gebäude am Eingang des Lagers, zwei Scheinwerfer nach aussen zur Strasse hin. Der der Umgebung war dunkel. Ungewöhnlich.
Dem Lärm nach war hier, wie sie erwartet hatten eine Art Straflager für weniger motivierte Mitarbeiter. Kartenspiele unter dem Einfluss von Tequila. Ein einzelner Kopf war am Fenster zu sehen, der immer wieder nach draußen sah, aber weitaus öfter von dem Geschrei hinter sich abgelenkt wurde, wenn wieder eine Runde gewonnen oder verloren war.
Ypsilon setzte sich wieder in Bewegung, umrundete das Lager ein weiteres Stück, bis er den Bereich, der von den Scheinwerfern nicht erhellt wurde einsehen konnte.
Ein zur Hälfte offenes Gebäude und darin der Dieselgenerator, dieser musste zuerst weg, bevor der Strom abgestellt werden konnten.
Womit dann auch für die nötige Ablenkung gesorgt wäre. Aber dazu musste er in das Lager.
Er schlich weiter, bis er am Zaun in der Nähe des Generators war. Er sah sich erneut um, der Zaunabschnitt hinter dem Generator sah aus, als würde er wirklich nie kontrolliert werden, komplett zugewachsen.
Ypsilon erreichte den Zaun, untersuchte ihn kurz im Schein seiner kleinen Notlampe und zog seinen Seitenschneider hervor.
Auch hier keine Sicherung,jedes verdammte Gebäude in Arulco war besser gesichert gewesen als das hier, aber warum sollte er sich beschweren, solange es ihm half?
Er öffnete den Zaun, drückte sich hinein und umrundete leise das Gebäude mit dem Generator.
Sein Ziel war der Verteilerschrank mit der Steuerung des Dieselgenerators, den er bereits von aussen sehen konnte.
Ypsilon stoppte an der Ecke und sah sich aufmerksam um, an einem der anderen Gebäuden sah er zwei Männer beisammen stehen, er sah Zigaretten aufglühen und dachte zuerst, dass sie sich wohl auf eine gemütliche Tüte dorthin verzogen hatten, dann sah er einen Lichtschein und erkannte im nächsten Moment, dass das auch das Gebäude war, an dem die Stromleitungen ankamen, das war also die Hauptverteilung des Lagers.
Uninteressant für ihn, wenn von außen kein Strom mehr kam und der Diesel nicht funktionierte, wer brauchte dann noch eine Hauptverteilung?
"Sind in Position mit Blick aufs Lager, wie ist die Lage bei dir?", flüsterte die Stimme des commandant in seinem Ohr.
"Strommast ist vorbereitet, bin jetzt im Lager und bereite den Notdiesel entsprechend vor. Melde mich, wenn ich wieder aus dem Lager raus bin, gebt mir zwanzig Minuten."
Er hatte den Satz gerade beendet, als nacheinander immer mehr Scheinwerfer angingen und den Bereich um das Lager taghell erleuchtete.
"Vergesst das mit den zwanzig Minuten, melde mich wenn ich in irgendeiner halbwegs sicherer Position bin," flüsterte er.
Zur Antwort klickte es nur zweimal, man hatte verstanden.
Über den Platz konnte er die Stimmen der beiden Männer hören, die auf Spanisch miteinander stritten.
"Wurde aber auch Zeit, ich dachte schon du wirst heute gar nicht mehr fertig, denkst du, ich habe nichts Besseres zu tun, als dir hier beim Eierschaukeln zuzusehen?"
Das war der Linke von beiden, recht gross und kräftig, aber sehr schwerfällige Bewegungen. Er trug eine AK bei sich.
"Ich kann mir auch was schöneres vorstellen als das hier, hab gestern im Dorf eine hübsche Kleine gesehen, die ich mir gerne mal vornehmen würde."
Das war der Schrauber des Lagers, kleiner als der Andere, aber fast noch breiter, und breit bedeutete hier nicht nur fett, sondern auch kräftig. Ein Bulle, mit einem Colt im Hosenbund, den man deutlich sah, als er einen Schritt zurücktrat.
Es folgte ein weiteres Wort auf Spanisch, auf das beide widerlich lachten. Es war schwer zu übersetzen, schon gar nicht sinngemäß, in etwa war es ein abfälliger Ausdruck für eine Minderjährige, zwischen zwölf und sechszehn, mit der man gerne mal das Bett teilen würde.
Ypsilons Augen blitzen jetzt wirklich bösartig auf, als er das Wort zuletzt gehört hatte, hatte er es demjenigen abgewöhnt, auf seine ganz eigene Weise.
Und hier würde es ähnlich ablaufen, in Sekunden war ein Plan fertig, der vor allem damit zusammen hing, dass es sich hier um den Elektriker des Lagers handelte.
Er wartete einen Moment, bis die Männer weg waren, dann umrundete er das Gebäude komplett und erreichte den Steuerungsschrank des Diesels.
Ein alter Schrank aus Metall, sogar mit Metallgriffen. Perfekt.
Ein Dieselgenerator benötigte immer auch eine ausreichende Zahl an Batterien, um ordentlich zu starten.
Ein Schaltrelais in der Verteilung, ein sogenannter Schütz, war solange angezogen, wie die Verteilung mit Spannung versorgt war, wurde die Spannung unterbrochen, fiel der Schütz ab und der Diesel wurde mit Hilfe der Batterien gestartet. Der Trick war, dass die Batterien zahlreich genug sein musste, um den Diesel in Betrieb zu halten bis er komplett angefahren war, dann dauerte es noch einen Moment bis er sich mit der Frequenz des Stromnetzes synchronisiert hatte und die Batterien wurden üblicherweise so ausgelegt, dass sie auch diese Zeitspanne noch überbrücken konnten.
Aufgrund der Methode, mit der die Batterien verschalten waren, konnte ein Kurzschluss zwischen den Anschlüssen allerdings fatal sein.
Ypsilon sah sich ein weiteres Mal um, dann knipste er seine kleine Notlampe an und begann sein Werk mit einem Schraubendreher.
Er änderte zunächst die Schaltung so ab, dass der Diesel nicht starten würde, das war nur eine kleine Änderung, die schnell behoben werden konnte, wenn man an den Schaltschrank ging, aber genau das war von ihm gewollt.
Nun hatte er einen Schütz übrig, auf diesen klemmte er die Anschlüsse der Batterien, die von den anderen Schütz bei einem Stromausfall durchgeschalten wurden und schloss sie auf der anderen Seite des Schützes kurz.
So sorgte er dafür, dass dieser Schütz nur eine Funktion hatte, wenn der Strom ausgefallen war, aber wenn das der Fall war sorgte ein Schaltvorgang für einen Kurzschluss aus der Hölle.
Dieser "Todesschütz" wurde von den Batterien versorgt, aber Ypsilon verklemmte den Draht nicht direkt, sondern über einen Umweg über die beiden Türen.
Wenn jetzt der Strom ausfällt, bin ich Toast, dachte er, aber endlich war auch das erledigt und er schloss den Verteiler nach einem letzten prüfenden Blick.
Bei einem Stromausfall würde also der erste Schütz den "Todesschütz" freigeben, dieser würde dann seine Funktion solange erfüllen, bis jemand den Verteiler öffnen würde, um nachzusehen, warum der Diesel nicht gestartet hatte. Was dann kam, würde hässlich werden.
Ypsilon sah sich um und setzte sich in Richtung der vermutlichen Lagerhallen in Bewegung. Er wollte möglichst weit von dem Generator, aber auch von den Baracken weg bleiben.
"Dieselgenerator vorbereitet, macht die Augen zu, wenn ich es euch sage. Bin jetzt auf dem Weg zu der von euch am weitesten entfernten Lagerhalle, wie sieht es von oben aus?"
Hier bei ihm war alles still, fast schon totenstill, aber das würde sich bald ändern.
Er erreichte die Halle und begann sie vorsichtig zu umrunden, eine Wache war hier höchst unwahrscheinlich, aber man konnte ja nie wissen.